Sonntag, 4. Januar 2009

Santiago de Chile

Bei 35 Grad Celsius in einer Sechs-Millionen-Einwohner-Stadt, nachmittags auf dem 200 Meter hohen, mitten in der Stadt gelegenen Huegel namens Cerro Cristòbal, hinauf mit der Zahnradbahn, runter zu Fuss, so kann man sich einen ersten Eindruck schaffen: In der Ferne sieht man in jeder Richtung Berge, die Kordilleren, die bis zu 3000m hoch ragen. Auf einigen Gipfeln liegt sogar noch ein wenig Schnee. Santiago selbst liegt in einer grossen flachen Ebene zwischen den Bergen und weist wieder das uebliche Schachbrettmuster auf. Uns fiel auf, dass es nur wenige alte Gebaeude gibt. Die Loesung ist einfach: Viel der alten Bausubstanz fiel den zahlreichen Erdbeben zum Opfer und wurde durch haesslichere Betonbauten ersetzt.
Das in Santiago recht spaerliche Feuerwerk an Silvester sahen wir von dort oben: aus Ein Chilene, Jorge, nahm uns und ein paar andere Gaeste des Hostals spontan in seinem Auto mit hinauf. Jede Cominidad (Stadtbezirk) Santiagos macht ein eigenes Feuerwerk an einem zentralen Ort der jeweiligen Comunidad, so dass wir sie der Reihe nach sehen konnten. Den Buergern selbst ist das Zuendeln polizeilich verboten.
Auf dem Cerro steht auch die beruehmte Figur der Virgen. Ich hatte allerdings nicht gewusst, dass sich unterhalb eine richtige "Freiluftkirche" befindet, mit vielen Bankreihen und einem riesigen Altar, zur Zeit auch noch einer lebensgrossen Krippe.
Am Fusse des Berges liegt eines von Pablo Nerudas drei Wohnhaesern, "La Chascona." in der Calle Marquez de la Plata. Das besuchten wir auf dem Heimweg. Man bekommt einen Eindruck von seinem Lebensstil. Das Haus liegt im Kneipen-, Kultur- und Kuenstlerviertel Bellavista. Sein Garten lag am Hang, das Haus sehr zentral, doch in dieser Strasse doch ruhig. Man kann ahnen, dass sich diese Wohnlage nur jemand mit Vermoegen leisten konnte. Ausserdem hatte er ja noch zwei weitere Haeuser, eines davon in Valparaiso am Meer. Pablo Neruda war Sammler und so sind die Exponate interessant und wertvoll.
Ebenso interessant fanden wir das ethnologische Museum Santiagos., einen Block von der Arma de Plaza und der Cathedrale entfernt. Die permanente Ausstellung ist sehr, sehr umfangreich, beginnt mit den Mayas in Mexiko und arbeitet sich in vielen wunderschoenen Exponaten Richtung Sueden und durch die Jahrhunderte.
Und sehr schoen architektonisch und von der Stimmung her war der Mercado General. Dort wird frischer Fisch feil geboten an vielen Staenden und in engen Gassen bzw. in kleinen Restaurants, frisch zubereitet auch verkauft und von zahlreichen Touristen und Besuchern genossen. Hungrig waren wir nicht, aber die Marktstimmung und die Gerueche der frischen Fische und Muscheln einsaugen und einfach den Hendlern zusehen, das machte Spass in dem ca. 100 Jahre alten Gebaude.
Am 1. Januar nahm uns Jorge mit in den Cajòn de Maipu. Das ist ein beliebtes Ausflugsziel der Grosstaedter: ein ca. 45 km entferntes Tal des Flusses Maipu in den Bergen mit vielen Naherholungsparks entlang des Flusses. Wir assen in San Antonio in einem solchen Porito, eine chilenische, sehr leckere Bohnensuppe (sagt Kurt) und Omelett mit geduenstetem Gemuese und Champignon-Sahne-Fuellung. Dazu einen Pisco Sour und danach das chilenische "Waesserchen", ein Kraeutertee. In unserem Fall war es frischer Minztee. Danach badeten wir im Schwimmbad, spazierten noch ein wenig durch das Tal, sahen sogar zwei Kondore dabei, ehe wir, wie alle anderen Ausfluegler auch, im Stau wieder nach Santiago zurueck schlichen.
Jorge war an Silvester ploetzlich in unserem Hostal aufgetaucht, nahm ein paar Leute dort mit und war am naechsten Tag wieder da und machte diesen Ausflug mit uns. Ich schaetze, er ist so Ende 50, hat fuenf Kinder, ist geschieden, arbeitet fuer eine nationale Minengesellschaft als Personalleiter und ist Psychologe. Zur Zeit hat er ein Sabbatjahr und war schon einige Monate auf der Osterinsel und flog dort am 2. 1. auch wieder hin. Er arbeitet dort als Volunteer in einem sozialen Projekt fuer arme Familien auf der Insel. Es war sehr interessant, was er so erzaehlte von Chile, von seinem Leben, von seiner Familie. Er meinte, er wisse noch nicht, ob er im September wieder in seine Firma zurueck kehre: er wolle den Stress nicht mehr. Und er meinte, er haette nun Familie gehabt, immer gearbeitet, auch gut verdient, er hat sein Haus verkauft und sich eine kleinere Wohnung in Santiago gekauft und sei nun "Hippy" auf seine alten Tage geworden. Dabei lachte er herzlich.
Der juengere Bruder seiner Grossmutter ist recht bekannt. Er war der Kardinal von Santiago zur Zeit Pinochets und anscheinend ein recht aktiver Widerstaendler. Als Jorge nach seine rBrieftasche griff, als er das erzaehlte, fragte ich spontan, ob er etwa ein Foto von ihm habe. Darauf bat mich Jorge um mein Kleingeld. Das legte ich dann auf den Tisch und er deutete auf den Kopf, der auf dem 500-Peso-Stueck abgebildet ist: Kardinal Raulsilva Henriquez (Ich hoffe, das stimmt: die Schrift ist sehr, sehr klein).
Fuer Kurt und mich war es ein ueberraschendes Glueck, dass wir die Umgebung von Santiago kennen lernen durfen, noch dazu durch jemanden, der sich gut auskannte und in seinem Auto einfach mitnahm, weil er an diesem Tag Zeit und Lust dazu hatte. Um unseren Dank auszusprechen, luden wir Jorge zum Essen ein und gaben ihm unsere Visitenkarte. Er hat vor, ihm Sommer nach Europa zu reisen, unter anderem in den Schwarzwald, weil er dort Verwandte hat. Es war ein richtig netter Nachmittag. Uebrigens: alles auf Spanisch!!!
Am 2. 1. standen wir in aller Frueh auf: Unser Flugzeug startete um 9.00 Uhr nach Punta Arenas in Patagonien.

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