In Tortel fragen wir unseren Wirt. Er unterhaelt ein windschiefes Hospedaje (Pension) mit mehreren kleinen Kammern, in denen es zieht und bei starkem Regen sogar hineintropft und mit klapprigen Betten. In der Cocina (Kueche) steht der unweigerliche Holzofen, der mit Holz befeuert ist und auf dessen gusseiserner Platte der grosse Teekessel dampft. Auf dem Land findet man bei uns noch ganz aehnliche Oefen in den Kuechen von Bauernhoefen. Wir trocknen unsere nassen Klamotten ueber der Stuhllehne nahe dem Ofen.
Als wir am Ende eines regenreichen Tages nach Einbruch der Dunkelheit in Tortel eintreffen, ueberrascht uns unaechst der grosse Parkplatz am Ortseingang. Dort stehen die ca. 20 Pickups, die einigen der ca. 2000 Einwohner und ein paar Touristen gehoeren. Der Ort liegt an einer steilen Bucht an einem Fjord und auf Grund seiner Hanglage ist das ganze Dorf auf Stelzen gebaut. Holzpfade und -treppen verbinden die auf Holzstelzen ruhenden Holzhaeuser. Mit den wichtigsten Sachen fuer eine Nacht ausgeruestet, suchen wir zu Fuss nach einer Unterkunft. Zwei Frauen weisen uns den Weg zum Hospedaje die Stufen hinab. Es ist rutschig. Alles ist hier aus Holz, aus Zypressenholz, das man auch riechen kann und bis vor kurzem in grossem Umfang in der Umgebung abgeholzt wurde. Bis vor kurzem lebten die Menschen hier vom Schlagen der Zypressen, so auch unser Wirt. Aber jetzt hat die Regierung im Sinne der Arterhaltung die weitere Abholzung stark eingeschraenkt. Zur Gegenwart sagt er nicht viel.
Wer eine Geschaeftsidee hat, erhaelt vom Staat finanzielle Unterstuetzung. Elektrizitaet ist kostenlos. Auch Tortel setzt auf Zukunft und Entwicklung. Die verspricht man sich vor allem in der Tourismusbranche. Erst kuerzlich wurden viele Stege erneuert, sie riechen noch nach dem frischen Zypressenholz, man errichtete eine neue Schule, ein grosszuegiges Rathaus mit einer Touristeninformation und eine neue "Plaza de Armas". Diese Plaetze findet man in jeder chilenischen Ortsmitte. Meist eine parkaehnliche, quadratische kleine Anlage mit Denkmal. Darum herum gruppieren sich das Rathaus, die Bank und die Kirche. Hier liegt dieser Platz in der Bucht und ragt in diese hinein und ist sechseckig.
Der Staat wirbt auch Aerzte an um die medizinische Versorgung zu verbessern und investiert viel Geld in den Strassenbau. Und es gibt kostenlose Lieferungen von Frischwaren in der Region, die von einer Stiftung fuer die Siedler in abgelegenen Regionen finanziert und organisiert werden.
Am naechsten Morgen scheint ueberraschenderweise die Sonne. Malerisch umrahmen die Berge die Bucht. Die Haeuser schmiegen sich in den Hang. In der Bucht liegen einige ausrangierte bunte Holzboote, gefischt wird hier im Sueden sehr wenig, was uns sehr ueberrascht. Wir unternehmen einen Spaziergang durch den Ort, treppauf und treppab, der uns gut gefaellt. Es gibt ein paar kleine Laeden, es ist sehr ruhig. In manchen Gaerten bluehen bunte Blumen und waechst etwas Gemuese. Dennoch: Alles wirkt aermlich. Der Ausdruck "idyllisch" aus dem Reisefuehrer stimmt sicherlich fuer die bewaldete Landschaft, die ruhige Bucht, den Blick auf die Gletscher oben auf den Bergen, die Ruhe im Dorf. Aber das Leben, das taegliche, ist hier, glaube ich, nicht wirklich idyllisch. Die Menschen die hier leben, schaetzen die Ruhe. Auf meine Frage wieviele Tage es im Jahr durchschnittlich im Jahr regne, Tortel ist bekannt als verregnet, ernte ich nur ein Laecheln.
Da wir um 12 Uhr die Faehre ueber den Rio Bravo in Puerto Yungay erreichen wollen, die uns auf den suedlichsten Teil der Carretera Austral bringen wird, verlassen wir Tortel bereits wieder.
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