Montag, 16. Februar 2009

Winzereien per Fahrrad

Die Mendoza ist in Argentinien fuer guten Rotwein bekannt. Die andere Weingegend, weiter im Norden, um Cafayate, habe ich ja schon besucht und den Wein gekostet. Der Rotwein dort schmeckte mir nicht besonders und die Winzer selbst gaben zu, nicht mit der Mendoza in dieser Hinsicht konkurrieren zu wollen. Sie wuerden sich eher dem Weisswein widmen. Der war ja auch fein.
Nun bin ich also im argentinischen Herzen des Rotweins angekommen und moechte probieren gehen. Die Stadt Mendoza, Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, liegt am Fusse der Anden und bereits in der flachen, komplett ebenen Landschaft, die sich bis zum Horizont und weit darueber hinaus ausdehnt, um nicht zu sagen, ueber fast den ganzen Kontinent bis zur Ostkueste. Das ist die Pampa! Pampa bezeichnet bei uns in der Umgangssprache eine recht oede, langweilige, trockene, in jeder Hinsicht wenig Abwechslung bietende Landschaft. Man erwartet hin und wieder ein Haus oder ein kleines unscheinbares Dorf, Felder mit wegen der Trockenheit leicht unterentwickeltem pflanzlichen Bewuchs, mehr oder weniger intensiv genutzt, hin und wieder Holz- oder Stacheldrahtzaeune, die unter Umstaenden grasende Rinder im Zaum halten, eine im besten Fall geteerte, eher aber staubige, gelblichbraune oder roetlich gefaerbte Schotterstrasse, die wenig kurvenreich um nicht zu sagen schnurgerade durch die Landschaft gezogen ist. Zuweilen, ca. alle 10 bis 15 km kommt ein Abzweiger im rechten Winkel nach links oder rechts, vielleicht versehen mit einem Hinweisschild, mit einem Feldweg, der zu den versteckt liegenden Estanzien oder pueblos fuehrt.
So stellte ich mir bislang "Pampa" vor und so ist es auch. Selten stoesst man auf einen groesseren Ort und dort sieht man aus Holz gezimmerte Gehege, Gestelle und Gerueste, durch die Rinder vor ihrer Verladung zu irgendwelchen Schlachthaeusern geschleust werden, um sie zu zaehlen oder auf ihre Gesundheit zu untersuchen. Das weist darauf hin, dass die Rinderzucht eine wichtige Rolle spielt, hier in dieser flachen, trockenen Pampa, in der Gras wenigstens im ausreichenden Masse fuer die Kuehe, Ochsen und Stiere gedeiht, aber sonst nicht viel. Hier und da Kakteen, ein paar Felder, einige Baeume.
Und hier nun Weinanbau?
Ueber den Anden regnen die Wolken, die eigentlich in grosser Menge vom Pazifik her auf den Kontinent zuwehen, ab. Sie schaffen es nicht, sich ueber das Gebirge zu erheben um erst hinter den Anden als Regen nieder zu gehen. Deshalb ist die chilenische Seite auf dieser Hoehe bzw. um diesen Breitengrad um einiges fruchtbarer und bewachsener als der Osten der Anden. Nur die "staerksten" Wolken oder die dunkelsten, ich weiss es nicht, kommen rueber und regnen erst am oestlichen Rand der Berge ab, ca. 200 mm im Jahr. Fuer den Weinanbau reicht das nicht aus, aber man hat Bewaesserungskanaele gezogen und so wird das Wasser, das in Baechen und Fluessen von den Bergen rinnt, eingefangen und durch ein ausgekluegeltes und jahrhunderte altes und immer wieder modernisiertes und den Gegebenheiten angepasstes Bewaesserungssystem auf die Weinfelder und Olivenhaine geleitet. Und das funktioniert gut.
Von Mendoza aus fahren Busse in die Umgebung, wo man diese dann besuchen kann. Maipú liegt 15 km von der Stadt entfernt und dort kann man Fahrraeder ausleihen. Man bekommt eine kleine Flasche Wasser dazu und eine Karte, in der die naechstgelegenen Winzereien und Olivenverarbeiter und sogar eine kleine Likoer- und Schokoladenmanufaktur eingezeichnet sind.
Ich radle die Strasse entlang und freue mich, dass die Baeume auf dieser Allee so hoch sind, dass sie weit ueber meinem Kopf zusammen treffen und so ausreichend Schatten spenden. Links und rechts reichen Weinreben und Olivenhaine so weit das Auge reicht. In der Ferne sehe ich im fahlen Licht der heissen Sonne einige schneebedeckte Gipfel der nicht weit entfernten Anden. Auf der anderen Seite sehe ich ausser den Feldern nichts, weil alles flach ist.
Eine der aeltesten Winzereien in Maipú ist "El Rural", dessen Museum noch Gegenstaende des Winzereigewerbes bis aus dem 19. Jahrhundert zeigt, u.a. Behaelter aus Ziegenhaut, eine Flaschenfuellanlage vom Beginn des 20. Jahrhunderts, in der, ganz fortschrittlich, 4 Flaschen gleichzeitig gefuellt werden konnten ehe frische, leere, nachgelegt werden mussten, Fotos des Gruenderehepaares, ein fruehes Buero des Betriebs und Gegenstaende des alltaeglichen Lebens. Auf dem Hof stehen alte Faesser und Holzwagen, die von Rindern gezogen, vor langer Zeit die Trauben auf den Hof und die Weinfaesser in die Stadt transportiert haben.
Nach der Besichtigung des heutigen Betriebes mit den grossen Alutanks und nur wenigen aus Frankreich importierten Holzfaessern, duerfen die Besucher den Cabernet-Sauuvignon des Hauses von 2007 verkosten. Den kann man nur dort kaufen und er heisst "El Museo". Aber leider schmeckt er nicht besonders. Andere Weine von "El Rural" heissen "Trumpeter" und "Rutini". In Deutschland werden wir ihnen nie begegnen, denn 80% des Ertrages werden in die USA exportiert und 20% bleiben im Land.
Meine zweite Station ist der Hof der Familie Laur, der schon seit 1906 besteht, 50 000 ha an Olivenhainen besitzt und Oliven zu Oelen verschiedener Qualitaet verarbeitet, bzw. auch eingelegte Oliven, verkauft. 2 Millionen Liter Oel stellt der Betrieb jaehrlich her, die beste Qualitaet ist der "Extra Virgen" mit dem geringsten Gehalt an Saeure. Man kann die Qualitaet kontrollieren, indem man das Oel bei unter 10 Grad Celsius lagert. Es muss dann fest werden, so wie Honig bei Kaelte fest wird. Wenn man es dann wieder auf ueber 10 Grad erwaermt, wird es wieder fluessig. Die zweitwertvollste Variante ist "Virgen" und dann gibt es noch ein einfacheres Oel. Die Erntezeit dauert von April bis Juli. Dann ist die Presse voll ausgelastet. Den Rest des Jahres steht sie still. Die Olivenbaeume werden woechentlich gewaessert. Das Oel muss einige Monate lagern ehe es abgefuellt und ebenfalls in den USA bzw. in der Region, verkauft wird. Nach Europa wird nicht exportiert: Die Fuehrerin antwortet auf meine Frage nur: "No, España, Italia y Grecia." Im Anschluss darf ich das feine Oel und die Oliven auf etwas Weissbrot verkosten. Es hat ein ausgezeichnetes Aroma und die Oliven schmecken intensiv. Fein! Ich kaufe deswegen auch ein Glas mit gruener Olivenpaste, leider gibt es die Oliven selbst nur in Glaesern zu einem Kilo. Das ist etwas viel fuer die weitere Reise.
Die Winzerei "Caernes" hat 1998 den Besitzer gewechselt. Ein Franzose, ein Ingeneur, war beruflich in der Gegend taetig. Es gefiel ihm dort so gut, dass er beschloss, seinen Lebensmittelpunkt in die Mendoza zu verlagern. Da er dafuer eine finanzielle und wirschaftliche Grundlage brauchte, kaufte er den Betrieb mitsamt seinen Weinfeldern. Er investierte, baute eine neue Produktionshalle fuer die Faesser und Weinverarbeitungsanlagen, und nun kreiieren er und seine Frau neue Weine. Ihre spezielle Mischung heisst "Octano", besteht zu 40% aus der Traube Malbec und zu 60% aus Cabernet-Sauvignon. Ich finde ihn extrem herb. Dann erhalte ich bei der Degustation noch eine Probe eines frischen, fruchtigen und sommerlich-leichten Rosé von 2006 und einen fuer meinen Geschmack zu jungen, nicht sehr vollen und recht sauren Malbec von 2007, den man hier als "joven" bezeichnet. Der Reserva der Traube Syrah von 2004 ist da schon voller im Geschmack und etwas geschmeidiger. Dennoch: Sooooo besonders finde ich ihn nicht. Vielleicht hat mich Chile verwoehnt. Eine Fuehrung durch eine weitere Winzerei schenke ich mir, denn ich weiss allmaehlich wie Wein hergestellt wird. So beschraenke ich mich bei "Viña del Cerna" auf ein Glas Rotwein um mich in der gleissenden Hitze der Nachmittagssonne unter einem Dach aus Weinreben und Trauben, vom Radeln zu erholen und den Blick auf die Weinfelder zu geniessen. Das Ambiente ist familiaer, rustikal und der junge Malbec schmeckt gut und tut bei diesem Klima seine Wirkung. Gut, dass ich mit dem Fahrrad unterwegs bin.
Die letzte Station des Ausflugs ist die Likoer- und Schokoladenfabrik "Historias & Sabores". Warum sie sich "historias" nennt, entzieht sich meines Wahrnehmung. Aber der kleine Familienbetrieb produziert Likeure verschiedenster Geschmacksrichtungen -Schokolade, Kokos, Zitrone, Orange, Minze, Kirsche und vieles mehr. Daneben wird in Handarbeit Schokoladenkonfekt hergestellt - Vollmich, mit mehr oder weniger Kakaogehalt, mit Mandeln, mit Nuessen, weiss und gemischt. Der Kakao wird aus Brasilien importiert, die geruehrte Schokoladenmasse wird auf Backbleche gestrichen, dort haertet sie und wird dann in kleine quadratische Stuecke geschnitten. Die dritte Spezialitaet sind eingemachte, saure Salate aus verschiedenen Gemuesesorten, aus Auberginen, Tomaten, Paprikas, Zwiebeln und anderem, mit Oel und Essig angemacht und scharf gewuerzt.
Bei der Verkostung bekomme ich auf Grund eines Missverstaendnisses zwei Likeursorten zur Probe: Lecker, aber etwas suess ist der Orangenlikeur, waehrend die Argentinier einfach kein Haendchen haben, was Schokolade angeht: Sowohl das Konfekt als auch der Haselnuss-Schokoladenlikeur schmecken einfach "alt". Der Auberginensalat schmeckt mir so gut, dass ich ein Glas kaufe.
Nun ist der Alkoholpegel tatsaechlich, vor allem angesichts der bruetenden Hitze, ausreichend. In einem kleinen Restaurant esse ich rohen Rinderschinken mit Weissbrot, ehe ich mich etwas erschoepft die letzten Kilometer zur Fahrradausleihstelle zurueck schleppe und bekomme dort, wie alle Kunden, noch ein Glaeschen Malbec, die Traube, die mir am besten schmeckt hier in der Mendoza. Wir sitzen zusammen im gemuetlichen Garten von "Mr. Hugo", unterhalten uns angeregt, wieder mal Reisende aus aller Welt und ich lasse den Tag ausklingen, ehe ich mit dem Bus in die Stadt zurueck fahre.

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